Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Ngọc Lý 09.08.2007 11:32:10 (permalink)
Johann Wolfgang von Goethe
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Johann Wolfgang von Goethe, geadelt 1782 (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar; auch Göthe), ist als Dichter, Theaterleiter, Naturwissenschaftler, Kunsttheoretiker und Staatsmann der bekannteste Vertreter der Weimarer Klassik. Sein Werk umfasst Gedichte, Dramen und Prosa-Literatur, aber auch naturwissenschaftliche Abhandlungen. Er gilt als bedeutendster deutscher Dichter und ist eine herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur.






Johann Wolfgang Goethe






Johann Wolfgang von Goethe
1828, gemalt von Joseph Karl Stieler

 
Inhaltsverzeichnis



Elterliches Wohnhaus im Großen Hirschgraben in Frankfurt






Der Vater Johann Caspar Goethe, Aquarellminiatur von Georg Friedrich Schmoll 1775






Die Mutter Catharina Elisabeth Goethe, Porträt von Georg Oswald May 1776






Die Schwester Cornelia Friderike Christiana, gezeichnet vom Bruder Johann Wolfgang Goethe um 1770


Herkunft und Jugend (1749–1765)


Goethes Familie lebte in Frankfurt, im Haus am Großen Hirschgraben, dem heutigen „Goethe-Haus“. Johann Caspar Goethe (1710–1782), Goethes Vater, widmete sich der Zusammenstellung eines Naturalienkabinetts sowie der Sammlung von Gemälden und brauchte neben diesen Tätigkeiten und der Erziehung seiner Kinder keinen Beruf auszuüben, da er sich den Titel eines Kaiserlichen Rates gekauft hatte und repräsentativen Aufgaben nachgehen konnte.
Goethes Mutter, Catharina Elisabeth Goethe, geb. Textor (1731–1808), stammte aus einer alteingesessenen Patrizierfamilie. Die Tochter des Frankfurter Schultheißen (hier: Vorsteher des Justizwesens) hatte mit 17 Jahren den damals 38-jährigen Rat Goethe geheiratet. Der Sohn schrieb später:

Vom Vater hab' ich die Statur,
des Lebens ernstes Führen.
Vom Mütterchen die Frohnatur
und Lust zu fabulieren. [1]

Diese spätere Selbststilisierung ist allerdings irreführend, denn Goethe war keine Frohnatur und sein Verhältnis zu den Eltern nicht frei von Konflikten. Außer der am 7. Dezember 1750 geborenen Schwester Cornelia Friderike Christiana starben alle anderen Geschwister früh. 1758 erkrankte Goethe an den Blattern (Pocken).

Goethe wurde, gemeinsam mit seiner Schwester und zeitweise seiner Mutter, von seinem Vater und durch Privatlehrer in allen damals üblichen Fächern und mehreren Sprachen (Lateinisch, Griechisch, Französisch, Englisch und Hebräisch) unterrichtet. Auch erhielt er den seinen Kreisen gemäßen Unterricht im Tanzen, Reiten und Fechten. Er war eher ein Musterknabe als ein Raufbold, lernte leicht, wenn man seinem Spieltrieb freien Lauf ließ. Sein großes Vergnügen war immer Zeichnen, Musik dagegen war nicht seine Sache.

Eine wesentliche Rolle im streng lutherischen Haushalt der Goethes spielte die religiöse Erziehung der Kinder, wozu die tägliche Bibellektüre und der sonntägliche Gottesdienstbesuch gehörten. Für erste Glaubenszweifel sorgte die Nachricht des Erdbebens von Lissabon 1755, wo sich Gott, indem er die Gerechten mit den Ungerechten gleichem Verderben preisgab, keineswegs väterlich bewiesen hatte.[2] Der Religionsunterricht, den Goethe zunächst bei dem Frankfurter Senior Johann Philipp Fresenius, einem Freund der Familie, später auch bei seinem Onkel, dem Pfarrer Johann Jakob Starck erhielt, sagte ihm wenig zu, war doch der kirchliche Protestantismus, den man uns überlieferte, eigentlich nur eine Art von trockner Moral: an einen geistreichen Vortrag ward nicht gedacht, und die Lehre konnte weder der Seele noch dem Herzen zusagen. Einzig die Beschäftigung mit dem Alten Testament, vor allem den Geschichten um die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, regt seine Phantasie an. Seine Haltung zur Kirche und den christlichen Dogmen blieb auch später distanziert bis ablehnend. So charakterisierte er beispielsweise die Kirchengeschichte als „Mischmasch von Irrtum und Gewalt“.[3] und besonders die christliche Lehre von der Erbsünde entfernte ihn schon früh von der lutherischen Orthodoxie seiner Zeit.

Bereits als Kind begeisterte er sich für die Literatur, die er in der umfangreichen Bibliothek seines Vaters fand, wobei er sein Augenmerk zunächst auf Friedrich Gottlieb Klopstock und Homer richtete. Auch eine Begeisterung für das Theater wurde in jungen Jahren geweckt: im väterlichen Haus wurde alljährlich ein Puppentheater eingerichtet, das ihn faszinierte. Später schrieb er, er wünschte sich, „zugleich unter den Bezauberten und Zauberern“ zu sein.[4] Während der Besetzung Frankfurts durch französische Truppen 1759 besuchte er häufig das französische Theater im Junghof. 1763 erlebte er ein Konzert des damals 7 Jahre alten Mozart. Mit 14 Jahren bewarb er sich um die Mitgliedschaft in der tugendhaften Arkadischen Gesellschaft zu Phylandria, wurde jedoch wegen „Ausschweifung“ abgewiesen. 1764 wurde er auch Zeuge der Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Josephs II. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, was er in Dichtung und Wahrheit ausführlich beschreibt.
Am 30. September 1765 verließ er Frankfurt, um in Leipzig das Studium der Rechte aufzunehmen.





Goethe-Denkmal in Leipzig






Anna Katharina Schönkopf,
Goethes „erstes Mädgen“


Studium und Geniezeit (1765–1775)

Leipzig (1765–1768)

Von 1765 bis 1768 studierte Goethe in Leipzig Jura; dieses Studium repräsentierte das Gegenteil seiner bisherigen Ausbildung und stieß ihn ab. Er hörte dort lieber die Poetikvorlesung von Christian Fürchtegott Gellert und nahm an dessen Stilübungen im sanften Stil der Zeit teil. Auch nahm er Zeichenunterricht bei Adam Friedrich Oeser, dem Direktor der Leipziger Akademie. Dort lernte er antike Plastik in Gipsabgüssen und zierlichen Gemmen kennen und wurde von Winckelmanns Ideen beeinflusst. Anfangs aufgrund seiner Herkunft belächelt, entwickelte er sich in wenigen Wochen zum Stutzer. Er verliebte sich in Käthchen Schönkopf und besang diese Liebe in für das Rokoko traditionellen Versen. 1770, als Goethe 21 Jahre alt war, erschien eine erste, anonyme Sammlung von musikalisierten Liedern im Druck (Gedichtzyklus Annette).

Bei einem Kupferstecher im Hause des Verlegers Breitkopf lernte er Stechen, Holzschnitt und Radieren. Seine eher kritiklose Verehrung vieler zeitgenössischer Poeten wich nun einer bewussten Hinwendung zu Lessing und Wieland. Bereits in dieser Zeit schrieb er sehr viel, eine Oper, ein biblisches Drama über Belsazar; fast alles hat er später vernichtet. Erhalten blieb hingegen die Komödie „Die Mitschuldigen“.

Auerbachs Keller und die dort beheimatete Sage von Fausts Fassritt 1525 beeindruckten ihn so sehr, dass er später Auerbachs Keller als einzigen konkret existierenden Ort in sein Drama Faust I aufnahm. Ein Blutsturz zwang ihn, abzubrechen und Ende August 1768 „gleichsam als ein Schiffbrüchiger“ („Dichtung und Wahrheit“) nach Frankfurt zurückzukehren.

Frankfurt/Straßburg (1768–1770)





Johann Gottfried von Herder






Friederike Brion
in Elsässer Tracht

 

Es folgte eine eineinhalbjährige, von manchen Rückfällen unterbrochene Genesungszeit, deren Dauer zu einer tiefgehenden Verstimmung mit dem Vater führte. Während der Rekonvaleszenz wurde er fürsorglich von der Mutter und seiner Schwester gepflegt. Während er sich noch auf dem Krankenlager langweilte, schrieb er eine freche Kriminalkomödie. Eine Freundin der Mutter, Susanne von Klettenberg, brachte ihn mit pietistischen Vorstellungen der Herrnhuter in Berührung. So beschäftigte er sich einige Monate lang eingehend mit Mystik, Alchemie und Seelenerforschung.

Im April 1770 verlor der Vater die Geduld, Goethe verließ Frankfurt, um in Straßburg sein Studium zu beenden.
Wieder aber kümmerte er sich wenig um die trockenen Repetitorien. Im Elsass blühte er auf; kaum eine andere Landschaft hat er später ähnlich liebevoll beschrieben wie jene Rheingegend. In der Tischgesellschaft seiner Pension lernte er mit dem armen Johann Heinrich Jung-Stilling eine Lebensgeschichte aus dem Volk kennen. Weitere Bekanntschaften waren Lerse und Lenz. Entscheidende Anregungen aber gab Herder, der sich wegen einer Augenoperation in Straßburg aufhielt und den der junge Mann ansprach. Herder war die erste überlegene Persönlichkeit, die Goethe kennenlernte. Seine Führung war unbarmherzig, er putzte die zierlichen Gemmen und die geliebte römische Dichtung als flache Kopien herunter und öffnete dem Jüngeren die Augen für die dramatische Gewalt Shakespeares. Er machte ihn mit den damals eben veröffentlichten Gesängen Ossians vertraut und erschloss ihm die Poesie der Völker. Nicht Stammbäume und Schlachten seien wichtig, sondern das Werden und Wesen der Völker, sichtbar in ihrer unverbildeten Dichtung: dem Alten Testament, Homer, Mythen und Sagen. Dieser ganzheitliche Ansatz kam Goethes Art zu denken nun sehr nahe und beeindruckte ihn zutiefst.

In Straßburg erlebte er zum ersten Mal altdeutsche Baukunst. Der Eindruck der gewaltigen Massen, die sich – „einfach und groß“ – gen Himmel türmen, führt wenig später zu der begeisterten Schrift „Von deutscher Baukunst D. M. Erwini a Steinbach“.

Auf einem der vielen Ausflüge kam er in dem Dorf Sesenheim in ein gastfreundliches Pfarrhaus und verliebte sich in eine der Pfarrerstöchter, Friederike Brion. Nach einem Jahr jedoch machte er Schluss (Lenz schrieb in diesem Zusammenhang von einem Menschen „welcher kam und ihr als Kind das Herze nahm“). Aus der Straßburger Zeit stammen Gedichte, darunter z. B. „Willkommen und Abschied“, „Sesenheimer Lieder“ und „Heideröslein“.
Die vom Vater ersehnte juristische Dissertation gestaltete er mit seinen eigenwilligen Ideen so, dass sie nicht einmal zur amtlichen Zensur angenommen wurde. Die Arbeit mit dem Titel De legislatoribus ist nicht erhalten. Der Theologieprofessor Elias Stöber bezeichnete Goethe als überwitzigen Halbgelehrten und ... wahnsinnigen Religionsverächter.[5] Dennoch konnte Goethe durch eine Disputation am 6. August 1771 in Straßburg das Lizentiat erhalten. Grundlage waren 56 Thesen in lateinischer Sprache unter dem Titel Positiones Juris. In der vorletzten dieser Thesen spricht er die Streitfrage an, ob eine Kindsmörderin der Todesstrafe zu unterwerfen sei. Das Thema greift er später in der Gretchentragödie in künstlerischer Form wieder auf.

Seine Ausbildung war damit abgeschlossen; man bot ihm eine Karriere im französischen Staatsdienst an. Die aber lehnte er ab. Er wollte sich nicht binden, sondern ein „Original-Genie“ sein.

Frankfurt und Darmstadt (1771)

Ende August 1771 wurde Goethe in Frankfurt als Lizenziat zugelassen. Er wollte wohl im Sinne fortschrittlicher, humaner Rechtsprechung und eines humanen Vollzugs tätig werden. Bereits bei seinen ersten Prozessen ging er zu forsch vor, erhielt eine Rüge und verlor die Lust. Damit war nach wenigen Monaten seine Laufbahn beendet, auch wenn die Kanzlei noch einige Jahre existierte. Damals stand er in Verbindung mit dem Darmstädter Hof, wo man der Mode der Empfindsamkeit huldigte; aus diesem „Darmstädter Kreis“ sind Johann Georg Schlosser (sein späterer Schwager) und Johann Heinrich Merck hervorzuheben. Oft ritt oder wanderte er – auch im Schneesturm – von Frankfurt nach Darmstadt; sein Drang in die Natur war eine Trotzreaktion: Sturm und Drang.

Auch literarische Pläne verfolgte er wieder; dieses Mal hatte der Vater nichts dagegen, half sogar. Einem alten Buch entnahm Goethe die Lebensbeschreibung eines adeligen Wegelagerers aus der Zeit der Bauernkriege. Die Geschichte – kräftig umgewandelt – fügte er in wenigen Wochen zu einem bunten Bilderbogen (er selbst nannte sie in einem Brief „ein Skizzo“). Wie bereits in der Kindheit schuf er sich seine eigene Bühne, traf jedoch damit in das Herz seiner Zeitgenossen; das Stück wurde abgeschrieben, an Freunde gegeben. Die waren begeistert von der Geschichte des „Gottfried von Berlichingen mit der Eisernen Hand“. Wie mit der Würdigung altdeutscher Baukunst traf er auch hiermit einen Nerv seiner Zeit. Als Herder das Stück (das noch gar nicht für die Bühne gedacht war) kritisierte, wurde er von seinem Zögling abserviert. Merck trat als kritischer Förderer an seine Stelle.

Wetzlar (1772) – Frankfurt (1775)

Praktikant in Wetzlar
Von unbezahlter Mitarbeit an einer literarischen Zeitschrift (herausgegeben von Schlosser und Merck) konnte er nicht existieren. Im Mai 1772 ging Goethe zur Vervollständigung der juristischen Ausbildung als Praktikant an das Reichskammergericht in Wetzlar. Das altehrwürdige, aber völlig verwahrloste Institut (einzelne Verfahren waren bereits seit über drei Generationen anhängig) wurde damals einer von Kaiser Joseph II. angeregten „Visitation“ (kritische Beurteilung) unterworfen. Gebildete junge Juristen, mit denen er sich im Gasthof „Zum Kronprinzen“ traf, waren dort tätig, darunter ein Hofrat Johann Christian Kestner. Dieser beschrieb ihn mit folgenden Worten: „...kam hier ein gewisser Goethe aus Frankfurt an, seiner Hantierung nach Dr. juris, 23 Jahre alt, einziger Sohn eines sehr reichen Vaters, um sich hier – dies war seines Vaters Absicht – in praxi umzusehen, die seinige aber war, den Homer, Pindar und andere zu studieren und was sein Genie, seine Denkungsart und sein Herz ihm weiter für Beschäftigungen eingeben würden... Er hat sehr viele Talente, ist ... ein Mensch von Charakter, besitzt eine außerordentlich lebhafte Einbildungskraft… Von Vorurteilen frei, handelt er, wie es ihm einfällt, ohne sich darum zu bekümmern, ob es andern gefällt... Aller Zwang ist ihm verhasst... Er ist bizarr und hat in seinem Betragen… verschiedenes, das ihn unangenehm machen könnte. Aber bei Kindern, bei Frauenzimmern und vielen anderen ist er doch wohl angeschrieben...“. Es war dies die letzte neutrale Charakterisierung, bevor Goethe zum Objekt der Verehrung wurde.






Charlotte Buff, die Goethe als Vorlage für die Figur der Lotte in seinem Werther-Roman diente


Erste Begegnung mit Charlotte Buff (1772)
In dem Haus von Kestners Verlobten Charlotte Buff, genannt „Lotte“, erlebte Goethe, wie schon in Sesenheim, häusliches Familienleben. Nachdem er sich in Charlotte Buff verliebt hatte – die beiden waren sofort unzertrennlich – führte er ein ernstes Gespräch mit Kestner. Bereits am folgenden Morgen war Goethe nach Frankfurt geflüchtet. Dort ließ er sich nun dauerhaft nieder, war allerdings ständig unterwegs. Berühmt wurden sein Besuch in Koblenz bei Sophie von La Roche, der Gattin eines Ministers des Erzbischofs von Trier, und seine Bekanntschaft mit deren Tochter Maximiliane (der späteren Frau Brentano, Mutter von Clemens und Bettina Brentano), der er, wie Charlotte in Wetzlar, zärtlich zugeneigt war, die ihn aber ebenfalls nicht erhörte.

Merck drängte („Bei Zeit auf die Zäun, so trocknen die Windeln“), den Götz von Berlichingen in eine Bühnenfassung umzuarbeiten und zu veröffentlichen. Sie brachten ihn schließlich im Selbstverlag heraus. Er wurde ein Sensationserfolg (mit der Folge von Raubdrucken und einer Flut von Ritterromanen und -schauspielen) und machte Goethe mit einem Schlag berühmt. Allerdings zahlte er dann auch jahrelang Schulden ab.

Werther-Roman


In dem Briefwechsel mit Kestner erfuhr er von dem Suizid des Gesandtschaftssekretärs Karl Wilhelm Jerusalem. Dies war für Goethe der Auslöser, seinen Roman Die Leiden des jungen Werthers zu schreiben. Darin verband er die eigenen Erlebnisse mit seiner Angebeteten Charlotte Buff mit dem Schicksal Jerusalems. In wenigen Wochen schrieb er sich von der Seele, was ihn bedrückt hatte, befreite er sich „von seiner Trunkenheit, seinem Rausch”, wie sein Kammerdiener und langjähriger Sekretär Philipp Seidel (1775-1788) sich erinnerte. Auch dieser Roman wurde ein großer Erfolg. Die Folge war eine europaweite Werther-Hysterie, sogar Selbstmorde nach dem Vorbild Jerusalems wurden gemeldet. Der Götz und der Werther – so verschieden sie auch sind – markierten den Beginn einer neuen deutschen Literatur. Der ruppige Stil des Götz wurde Mode bei den Dichtern des Sturm und Drang. Goethe aber galt von nun an als Genie, seine beiden ersten bedeutenderen Werke hatten ihm zu Weltruhm verholfen.

Fragmente und Abgeschlossenes

Das Elternhaus wurde zu einer Herberge für alle möglichen Interessenten, Schmeichler, jedoch auch ernstzunehmende Freunde, darunter Klopstock. Eine Fülle weiterer Arbeiten entstand: Fastnachtspossen im Stil von Hans Sachs, die Farce „Götter, Helden und Wieland“, das „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“, er machte sich über das Treibhaus der Sentimentalität, die Darmstädter Naturschwärmer lustig. Daneben finden sich Pläne zu Dramen über bedeutende Gestalten der Geschichte: Mohammed („Mahomet“), Sokrates, Cäsar, Prometheus, Christus, den ewigen Juden Ahasver… All diese genialen Fetzen blieben Fragmente. Einen damals aufgegriffenen Stoff allerdings behandelte er später weiter: den „Faust“. Vollendet wurde das Drama „Clavigo“, in dem er mit Gefühl den Konflikt von Begabung und Charakter behandelte (die Anregung zu diesem Stoff stammte von Beaumarchais). Die Zeit schwankte unentschlossen zwischen Sentimentalität und Sturm und Drang, Klassizismus und beginnender Romantik. In ähnlicher Weise schwankt der Hauptdarsteller 1775 in Goethes Bühnenstück „Stella, ein Schauspiel für Liebende“ unentschieden zwischen zwei Frauen; die Handlung mündet in eine Doppelehe.






Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach; Goethes Freund und Landesherr war acht Jahre jünger als Goethe






Lili Schönemann


Erste Begegnungen mit Carl August und Elisabeth Schönemann (1774)


1774 unternahm Goethe mit seinen Freunden Basedow und Lavater eine Lahnreise nach Ehrenbreitstein. Im Dezember 1774 vermittelte ein Major von Knebel die Bekanntschaft mit dem Erbprinzen Carl-August von Sachsen-Weimar, dem späteren Großherzog, der auf dem Weg zu seiner Kavaliersreise nach Paris war. Im selben Winter lernte er Elisabeth Schönemann (Lili), Tochter aus einem Frankfurter Bankiershaus, kennen. Sie wird geschildert als reizende, lebenslustige Blondine, gleichzeitig aber selbstbewusst, fein und ernsthaft. Diese junge Frau bestrickte ihn; es wurde eine verzehrende Leidenschaft. Lili war keine ungefährliche „Äbtissin“ wie seine ferne Brieffreundin Auguste von Stolberg oder bereits gebunden wie Lotte in Wetzlar. In seinen späten biographischen Notizen findet sich zwar nur die Wortreihe „Abenteuer mit Lili – Einleitung – Verführung – Offenbach”, in seinem Gedicht „Lilis Park“ erfährt man aber relativ unverschlüsselt, was dies zu bedeuten hatte. Es kam, trotz der familiären Hindernisse, zur förmlichen Verlobung, die jedoch nur ein halbes Jahr Bestand hatte.

Erste Schweizreise (1775)


Bevor es ernst wurde, flüchtete er wieder einmal: zusammen mit den Brüdern Christian zu Stolberg-Stolberg und Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg sowie Christian Graf von Haugwitz unternahm er – in Werther-Uniform – eine Reise in die Schweiz (Mai bis Juli 1775), das Land der unverfälschten Sitten, der ehrlichen Landleute. Lavaters patriarchalischer Haushalt in Zürich entsprach durchaus dieser Vorstellung. Dort besuchte er auch den alten Johann Jakob Bodmer, von dem er nicht wusste, dass der vor Jahrzehnten versucht hatte, das Nibelungenlied herauszugeben. Mit dem jungen Passavant reiste er weiter bis an den Gotthard-Pass. Das ersehnte Italien lag vor ihm – er aber kehrte um. Lili dagegen vergaß er zeitlebens nie und verewigte sie gleich in zweien seiner Werke: als Hauptfigur in Stella und als Dorothea.

Einladung nach Weimar (1775)

Wieder in Frankfurt wurde Goethe von Carl-August (nunmehr Herzog von Sachsen-Weimar) aufgesucht, der in ihm einen geeigneten Berater für seine Regierungstätigkeit sah. Er lud ihn ein, als sein „Favorit“ nach Weimar zu kommen. Der reichsstädtisch gesinnte Vater war dagegen und riet zu einer Reise nach Italien. Goethe war bereits auf dem Weg dorthin; in Heidelberg holte ihn die weimarische Kutsche ein, und Goethe gab seinem Leben eine völlig neue Wendung. Mit dieser Fahrt von Heidelberg nach Weimar brechen seine Lebenserinnerungen „Dichtung und Wahrheit“ ab.

Weimar (1775–1786)





Goethes Gartenhaus in Weimar






Goethes Wohnhaus in Weimar, das Haus am Frauenplan.
Heutiger Museumszugang links am Bildrand; die beiden Tore links und rechts des früheren Haupteinganges gestatteten Goethe eine Durchfahrt mit seiner Kutsche in den hinteren Wirtschaftstrakt zu Stallungen und Kutschenremise.






Anna Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach
Gemälde von J. E. Heinsius 1773


Minister in Weimar (1776–1786)

Amtsübernahme
Am 7. November 1775 traf er in Weimar (damals zusammen mit Eisenach, Jena, Neustadt und dem Amt Ilmenau als Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach) ein, einem der vielen verarmten Duodezfürstentümer im Reich. Die ersten Monate waren angefüllt mit Festen, Lustbarkeiten, Tollheiten aller Art und einem Besuch bei dem nunmehr verheirateten Käthchen Schönkopf (Frau Kanne) in Leipzig; im Frühjahr 1776 begann er, an einzelnen Sitzungen des Conseils (informell) teilzunehmen. Im Juni wurde er zum Geheimen Legationsrat mit Sitz und Stimme in diesem Ministerrat ernannt, gegen den Widerstand des Hofs, der Minister und Beamten. Doch früh hatte Goethe Verbündete gefunden in Wieland und der Herzoginmutter Anna Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach; mit dem jungen Herzog war er ohnehin bald eng befreundet.

Er wohnte sechs Jahre in seinem Gartenhaus am Park an der Ilm, das der Herzog ihm faktisch zum Geschenk machte. Der vermietete ihm, auch zu Repräsentationszwecken, dann 1782 ein großzügiges Haus am Frauenplan. Vom Herbst 1789 bis Sommer 1792 durfte Goethe mit Christiane Vulpius das Haus nicht bewohnen. Erst vom Sommer 1792 an war die Familie wieder im Haus am Frauenplan, das der Herzog Goethe 1794 mündlich schenkte, aber erst 1807 übereignete. Hier lebte Goethe bis zu seinem Tod; hier entstanden gleichfalls zahlreiche Werke.

Regierungsarbeit
Carl August spannte ihn in die Regierungsarbeit ein; in den folgenden Jahren übernahm er verschiedene Ämter: Leitung der Kriegskommission, Direktor des Wegebaus, Leiter der Finanzverwaltung, zeitweise auch Kultusfragen. Faktisch war er Leiter des Kabinetts (Ministerpräsident).

Das Land lernte er auf vielen Wanderungen und Ausritten zu Pferde kennen. Dazwischen (1777) flüchtete er für zwei Monate in den Harz. Im Mai 1778 unternahm er eine Reise mit Herzog Carl-August über Leipzig und Wörlitz nach Berlin und Potsdam. Im Amt Ilmenau stöberte er einen alten Bergbau auf und träumte von Silberschätzen, mit denen man die Finanznot beheben könnte. Am 24. Februar 1784 erfolgte die feierliche Eröffnung des Bergbaues, bei der Goethe eine Rede hielt. Die Bergbaupläne versackten jedoch bald in alten Rechtsansprüchen und Wassereinbrüchen (der letzte Schacht wurde 1812 stillgelegt), hinterließen aber ihre Spuren im Werk (vgl. Faust, zweiter Teil).






Goethe 1779 (Gemälde von G.O. May im Juli 1779), das Jahr seiner zweiten Reise in die Schweiz. Goethe war sieben Jahre jünger als Charlotte von Stein. Zeitweise übernahm er die Erziehung des Fritz von Stein, dem 3. Sohn der Frau von Stein.

 

Die Geologie wurde in Verbindung mit der Mineralogie zu seiner heimlichen Liebe. 1779 unternahm er eine zweite Schweiz-Reise, um in Bern eine Anleihe für das verschuldete Fürstentum aufzunehmen. Auf dem Weg dorthin besuchte er seine noch in Frankfurt lebende Mutter und im Elsass die Verflossenen Lili und Friederike. 1783 folgte die zweite Reise in den Harz, im darauf folgenden Jahr der dritte und letzte Harzaufenthalt. 1785 unternahm er eine erste Reise nach Karlsbad, der noch viele folgen sollten.






Charlotte von Stein , Zeichnung, Selbstportrait um 1780


Charlotte von Stein

Kurz nach seiner Ankunft hatte Goethe die Bekanntschaft der Hofdame Charlotte von Stein gemacht. Mit Schillers Worten: „..eine wahrhaft eigene, interessante Person, von der ich begreife, dass Goethe sich so ganz an sie attachiert hat.. gesunder Verstand, Gefühl und Wahrheit liegen in ihrem Wesen. Man sagt, dass ihr Umgang ganz rein und untadelhaft sein soll.“ Herr von Stein war meist dienstlich unterwegs und störte nicht. Diese Frau brachte dem Geniekerl der Sturm-und-Drang-Zeit Manieren und gleichmäßiges Arbeiten bei; es wurde ein dramatischer Umbau seiner Persönlichkeit: vom uferlosen Ich zur disziplinierten Person. Bis dahin war Wühlen ohne Form seine Lust (und seine Stärke) gewesen; von nun an ging es ihm um Gestalt und Formung.






Ruine des Anatomieturms in Jena
Von 1750 bis 1858 befand sich hier das „Anatomische Theater“ (Anatomiehörsaal) der Universität Jena. Hier führte Goethe seine anatomischen Forschungen durch.

 

Nicht mehr die stürmische sprachgewaltige Darstellung von Leidenschaften, Landschaften und Wolkenflug, sondern das ruhige Nachdenken über große Zusammenhänge der Schöpfung wurden bestimmend für sein Werk. Als Goethe Charlotte von Stein zehn Jahre später – nahezu wortlos – verließ, war sie verbraucht und verbittert, was sich nach der Rückkehr aus Italien durch zunehmende Entfremdung zwischen den beiden zeigen sollte.






Schädel eines Schafes
Zwischenkieferbein farbig markiert


Naturkundliche Studien

In diesen Jahren begann er, sich intensiv mit Biologie zu beschäftigen, besonders mit Anatomie und dem Werden der Formen in Tier- und Pflanzenwelt. Der Anatomieprofessor Justus Christian Loder vermittelte ihm umfassende theoretische und praktische Fähigkeiten. Gemeinsam mit ihm entdeckte Goethe am 27. März 1784 bei zielgerichteten Forschungen in der Jenaer Anatomie den Zwischenkieferknochen am menschlichen Schädel. Nach herrschender Meinung sollte er nur bei Tieren vorkommen. Goethe, der eine „geheime“ Verwandtschaft zwischen Tier und Mensch „ahnend schaute“, sah genauer hin als alle anderen und hatte Erfolg. Noch in der selben Nacht schrieb er an Herder: „Ich habe gefunden - weder Gold noch Silber, aber was mir unsägliche Freude macht - das Os intermaxillare am Menschen“. Schon früh (Herbst 1776) hatte er dafür gesorgt, dass Herder als Generalsuperintendent nach Weimar berufen wurde. Dessen Gedanken über eine organische Entwicklung in der Naturgeschichte kamen seinen Vorstellungen sehr nahe. Die alte Freundschaft wurde wiederbelebt, diesmal allerdings in gleichrangiger Art und Weise; Merck und Lavater dagegen mussten weichen.






Corona Elisabeth Wilhelmine Schröter,Ölgemälde von Georg Melchior Kraus 1785


Gesellschaftliches Leben


1780 wurde er als Lehrling in die Weimarer Freimaurerloge Anna Amalia zu den drei Rosen aufgenommen (die jedoch bald schließen musste). Im April 1782 besorgte der Herzog ihm endlich vom Kaiser das Adelsdiplom, damit er bei offiziellen Gelegenheiten nicht länger im Abseits sitzen musste. 1783 folgte die Aufnahme in den Illuminatenorden unter dem Namen „Abaris“. Neben unzähligen Gelegenheitsarbeiten (Maskeraden, Aufzügen, Redouten, Singspielen und Gelegenheitsgedichten, meist für Aufführungen in den Lustschlössern des herzoglichen Hofs bestimmt) schrieb er im Wesentlichen nur „Iphigenia auf Tauris“, ein Theaterstück in Prosa und Gegenbild zu seinem Leben. Regierungsgeschäfte, die eigenartige Beziehung zu Charlotte, gleichzeitig eine halbe Affäre mit der attraktiven Corona Schröter – dieses Leben war weder edel noch still. Die Figuren in der Iphigenie dagegen (sogar der Barbarenfürst) sind menschlich und unaufgeregt. An die von Frankfurt mitgebrachten großen Anfänge („Egmont“, „Faust“, „Der ewige Jude“) wagte er sich nicht. Doch begann er 1778 den Bildungsroman „Wilhelm Meister“, ebenso ein leises Kammerspiel für fünf Personen: „Torquato Tasso“. Nach den Erfolgen in der Jugend konnte Goethe nun mit seinen Werken keine Furore mehr machen. Es gab zwar zwei unautorisierte „Gesamtausgaben“ (vulgo Raubdrucke), doch ansonsten hatten ihn Publikum und Verleger abgeschrieben.

Unzufriedenheit

1786 zeichnete sich immer deutlicher ab, dass er von seinen Lebensumständen enttäuscht war: die Beziehung zu Frau von Stein wurde unbehaglich, seine Regierungsarbeit besserte die Verhältnisse nicht und raubte ihm die Zeit und Kraft für eigene Schöpfungen. Als endlich dem Herzogspaar der langersehnte Thronfolger geboren ward, war seine Vermittlerrolle abgeschlossen, er ließ sich von den aktuellen Regierungsgeschäften beurlauben und räumte unter Bergen von Manuskripten und Briefen auf. Er bereitete einen neuen Lebensabschnitt vor; wieder eine „Häutung“ wie die eines Reptils, wie er es später mehrfach formulierte.






Johann Heinrich Wilhelm Tischbein; dieses Porträt wurde durch Johann Heinrich Lips gearbeitet.






Goethe in der römischen Campagna, eines der bekanntesten Werke des Malers Johann Heinrich Wilhelm Tischbein






Die Büste erinnert an Goethes Besuch 1786 in Malcesine am Gardasee in Italien






Johann Heinrich Meyer
beriet Goethe in allen Kunstangelegenheiten






Selbstporträt der Malerin Angelica Kauffmann, deren Haus in Rom Kulturschaffende aus Deutschland anzog


Leben in Italien (1786–1788)

Anfang September 1786 stahl sich Goethe ohne Abschied und ohne Wissen von Frau von Stein nach Italien davon. In Weimar war (außer dem Herzog) nur seinem Diener und Sekretär Philipp Seidel das Reiseziel bekannt, auf schnellstem Weg über Regensburg, München, Mittenwald, Innsbruck und den Brenner, den Gardasee und Verona nach Venedig zu gelangen.

Eigentliches Ziel aber war Rom. Dort existierte eine Künstlerkolonie, in der er sich einrichtete. Einer der Maler – Heinrich Tischbein – verhalf ihm bei einem Lohnkutscher zu einem einfachen Quartier, das den Beginn einer vom Weimarer Leben abgekoppelten Lebensweise markierte. Später bezeichnete man die folgenden zwei Jahre sehr einfach als die Italienische Reise, für Goethe hingegen war dieses neue Leben in Italien ein Aufblühen und Verwirklichen tiefster menschlicher und kultureller Sehnsüchte – ungebunden, frei und finanziell beweglich, da ihm sein Gehalt in dieser Zeit weiter zugestellt wurde. Hier fühlte er sich zu Hause, er lebte, liebte, zeichnete, modellierte und malte. Geschrieben hat er wenig in dieser Phase (die „Iphigenie“ wurde in Versform gebracht und fiel durch, als er sie seinen Freunden vorlas). Johann Heinrich Meyer, ein Schweizer Maler, der sich in Kunstgeschichte auskannte, wurde sein Vertrauter und Berater – bis an beider Lebensende.

Er ließ sich als Künstler von der Monumentalität der antiken Bauten inspirieren (Pantheon, Kolosseum, Kaiserthermen u. a.) und studierte antike Skulpturen (Apoll vom Belvedere, Herkules Farnese, Juno Ludovisi u. a.). Darüber hinaus beschäftigte er sich intensiv mit der italienischen Renaissance-Malerei und bewunderte neben Michelangelo vor allem Raffael als den Gipfel der abendländischen Kunst und wahren Erneuerer der Antike. Nach einem halben Jahr reiste er nach Neapel, wo er die Bekanntschaft von Sir William Hamilton (der altgriechische Vasen sammelte) und dessen Kreis machte, und fuhr weiter nach Sizilien. In Paestum sah er einen altgriechischen Tempel und war betroffen von dessen Wucht; in Palermo fasste er erstmals die Idee der „Urpflanze“ als das allen Pflanzenarten gemeinsame Bildungsgesetz. [6] Mitte 1787 kehrte er nach Rom zurück. Nun nahm er die Arbeit am „Torquato Tasso“ wieder auf und vollendete den „Egmont“. In dieser Zeit verkehrte er häufig im Haus der Malerin Angelika Kauffmann. Im selben Jahr (1787) entstand auch das berühmte Gemälde Tischbeins, das Goethe als Reisenden in der römischen Campagna zeigt.

Nach zwei Jahren bereitete er seine Rückkehr nach Weimar vor. Die Freundschaft Carl Augusts ebnete auch hier den Weg; in Weimar wollte er nur noch ein Gast sein; „…was ich sonst bin, werden Sie beurteilen und nutzen” schrieb er seinem Herzog. In seinen Briefen und Tagebucheintragungen, auch in seinem Reisebericht findet sich kaum ein Wort über die Liebe in Rom. Wir haben keine zuverlässige Nachricht von seiner wahren Geliebten, die er in Gedichten „Faustina“ nannte. Es ist heute nicht zu klären, ob es eine Mailänderin oder eine Kutschers- oder Gastwirtstochter aus Rom war. Sicher ist nur, dass er in Italien sinnlicher wurde – auch in den Gedichten, die er nach Hause sandte. Nachdem er noch einmal den römischen Karneval mitgefeiert und die Feierlichkeiten der Osterwoche in sich aufgenommen hatte, machte er sich Ende April 1788 auf den Heimweg.






August von Goethe, der einzige überlebende Sohn, der das Erwachsenenalter erreichte






Christiane und August von Goethe; Aquarell von Johann Heinrich Meyer (1793)


Weimar (1788–1832)

Christiane Vulpius
Der Heimgekehrte aber konnte sich nicht recht heimisch fühlen in dem engen Weimar; die Zustände wollten nicht zu seinen italienischen Erinnerungen passen („Aus Italien dem formreichen, war ich in das gestaltlose Deutschland zurückgewiesen, ... die Freunde, statt mich zu trösten, ... brachten mich zur Verzweiflung“ 1817). In dieser Zeit fand er den Menschen, den er brauchte: Christiane Vulpius, 23 Jahre alt. Sie stammte aus einer verarmten Akademikerfamilie, hatte selbst aber nur eine geringe Schulbildung. Er bestellte sie in sein Gartenhaus, bald war sie seine Geliebte – vielleicht weil sie der römischen Geliebten ähnlich war. In dieser Zeit schrieb er die „Römischen Elegien“, seine leichtesten und fröhlichsten Verse. Das Verhältnis führte schon im Juli 1788 zu einer „Gewissensehe“ (bald kam die halbe Familie in seinen Haushalt). Im Dezember 1789 wurde ihnen der Sohn August geboren, das einzige überlebende von fünf Kindern.

Umbruch





Römisches Haus in Weimar, in dessen Lage und Gestaltung viele Eindrücke Goethes aus Italien eingeflossen sind

 

Der Bruch mit Frau von Stein, der folgte, war endgültig; die kleinstädtische Weimarer Gesellschaft – schockiert durch die Sinnlichkeit der Römischen Elegien – missbilligte dies alles (Verständnis fand er allerdings bei dem sonst so strengen Herder). Goethe, der auch unter gesundheitlichen Problemen litt, zog sich mehr und mehr zurück. Nicht nur körperlich wurde er steif, auch seelisch. Auf sehr konkrete Weise schlugen sich allerdings Goethes Eindrücke aus Italien noch einmal im Bau des Römischen Hauses am hochgelegenen Westrand des Parkes an der Ilm nieder, mit dessen künstlerischer Oberleitung Goethe durch Herzog Carl August während dessen Abwesenheit betraut wurde.

Die Anzeichen für eine Umwälzung hatten sich gemehrt; nicht nur in Nordamerika, auch in einer beschaulichen Stadt in der Schweiz (Sicherheitsausschuss 1782 in Genf) und anderswo hatten Bürger gegen die Obrigkeit rebelliert. Revolutionen aber hasste Goethe – in der Weltgeschichte ebenso wie in der Geologie. Als hätte er geahnt, dass Revolutionen ins Haus standen, nutzte er die Gelegenheit, sich wie in einer Bastille zu verbarrikadieren. Es kam hinzu, dass das Publikum sich nicht damit abfinden wollte, dass aus dem Dichter des Götz und des Werther der der Iphigenie und des Tasso geworden war. Daran konnten auch die Lustspiele „Der Groß-Cophta“, „Der Bürgergeneral“ und der neu bearbeitete „Reineke Fuchs“, eine bittere Satire, an deren Ende der gewissenlose Intrigant triumphiert, nichts ändern. Goethe „fand sich zwischen Wilhelm Heinses Ardinghello und Schillers Räuber eingeklemmt“. Eine erste von ihm autorisierte Gesamtausgabe („Goethes Schriften“ bei Göschen) blieb liegen, die Reste wurden verschleudert. Eine zweite Reise nach Italien im Jahr 1790 – dieses Mal jedoch nur bis Venedig – endete mit einer Enttäuschung. Das dichterische Resultat waren die „Venezianischen Epigramme“, das naturkundliche seine Überzeugung, dass sich der Schädel aus den Wirbeln entwickelt habe. Seine Forschungen mündeten in die „Metamorphose der Pflanzen“; mit diesem Aufsatz begründete er 1790 die Vergleichende Morphologie im Bereich der Botanik. Zunächst jedoch hatte das Publikum keinerlei Verständnis dafür. Goethe igelte sich ein, der Versuch einer „Vergleichenden Knochenlehre“ sollte erst 30 Jahre später folgen.

1791 übernahm er die Leitung des Hoftheaters, Christiane wurde seine Personalberaterin; sie konnte mit ihrer gefälligen Art vermitteln und die Schauspieler betreuen. Ihre Gesellschaftsdame Caroline Ulrich, die ab 1806 bis 1814 tätig war, übernahm möglicherweise zeitweilig die Rolle einer Nebengeliebten – wie Goethe es am Schluss der „Stella“ geschildert hat. 1792 nahm er als Begleiter seines militärbegeisterten Herzogs teil an der Kampagne in Frankreich und erlebte den totalen Misserfolg der konservativen Koalition und der Emigranten. 1793 war er dabei, als in Mainz die erste Republik auf deutschem Boden belagert wurde, und schrieb scheinbar unberührt an seiner „Farbenlehre“. Ein Tag in Valmy und einer im zerstörten Mainz waren ihm Symbole für die Wirren der Weltgeschichte. Im Oktober 1793 zog er nach Jena in eine kleine Junggesellenwohnung, denn bei der Universität sollte ein botanischer Garten eingerichtet werden. Während er sich um die Universität in Jena kümmerte, ließ er seine Partnerin und das Söhnchen manchmal monatelang allein (die alljährlichen Badereisen nach Karlsbad kamen noch hinzu).





Wilhelm von Humboldt,
der anlässlich eines Besuches 1789 in Weimar erstmalig Goethe und Schiller begegnete.






Schillerbüste
von Theodor Wagner
(nach Johann Heinrich Dannecker)






Goethe-(li.) und Schiller-(re.)Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater in Weimar, dessen Intendant Goethe eine zeitlang war






v.l.n.r.: Schiller, Wilhelm und Alexander von Humboldt und Goethe in Jena



Weimar/Jena (1794 ff.)

Freundschaftliche Verbindung mit Friedrich Schiller


Im Juli 1787 (also während Goethes Aufenthalt in Italien) war Friedrich Schiller nach Weimar gekommen, zwei Jahre später erhielt er – infolge einer Empfehlung Goethes – eine außerordentliche Professur an der Universität Jena. Dennoch blieb das Verhältnis distanziert. Am 13. Juni 1794 lud Schiller Goethe zur Mitarbeit an seiner neuen Zeitschrift, den „Horen“, ein. Goethe nahm die Einladung an, und zwischen den beiden entwickelte sich schnell eine Arbeitsbeziehung und Freundschaft, die bis zum Tod Schillers (1805) währte und von welcher der 1828/29 veröffentlichte Briefwechsel eindrucksvoll zeugt. Dagegen entfremdete sich Goethe zunehmend von seinen früheren Weggefährten Herder und Wieland. Während das Heilige Römische Reich Deutscher Nation infolge der napoleonischen Feldzüge zerfiel (Fürstenkongress zu Rastatt 1797), widmeten sich Goethe und Schiller einem kulturreformatorischen Projekt, dessen emanzipativen und zugleich gegenrevolutionären Anspruch Schiller in seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ 1795 formulierte. Er schrieb zwischen 1796 und 1805 seine bedeutendsten Dramen. Goethe vollendete 1794-96 Wilhelm Meisters Lehrjahre, die als Musterbeispiel der Gattung des Bildungsromans gelten. Daneben schrieb er kleinere Werke wie die „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“, in deren Rahmen auch das scherzhaft-verrätselte Das Märchen erschien (1794/95). 1796 produzierte er gemeinsam mit Schiller die Xenien, eine raffinierte Publikums- und Kollegenbeschimpfung in kurzen Versen, die großes Aufsehen erregten und überwiegend auf Ablehnung stießen. Auch die gemeinsam betreuten Horen scheiterten an Manuskript- und Lesermangel. Schillers Beziehungen mit Johann Gottlieb Fichte und den Brüdern Schlegel zerbrachen. Intensiven Umgang pflegten Goethe und Schiller aber weiterhin mit Wilhelm von Humboldt, Christian Gottfried Körner und Johann Heinrich Meyer. 1799 siedelte Schiller nach Weimar über. Dennoch blieb die im Nachhinein mit dem pompösen Namen Weimarer Klassik ausgestattete literarische und intellektuelle Strömung eine kleine, durchaus nicht herrschende Minderheit innerhalb des kulturellen Zentrums, welches das kleine Herzogtum Sachsen-Weimar beherbergte. Die publizistische Goethe-Verehrung der Jenaer Frühromantiker vermochte den künstlerisch-philosophischen Abstand nicht zu verringern.

Mit seiner bürgerlichen Idylle Hermann und Dorothea errang Goethe 1797 erstmals seit dem „Werther“ wieder einen größeren Erfolg beim Publikum. Im freundschaftlichen Wettstreit mit Schiller entstanden einige seiner schönsten Balladen. Von Schiller nachdrücklich ermuntert und angetrieben, wagte sich Goethe auch wieder an den lange liegengebliebenen „Faust“, vollendete den ersten Teil sowie einige Abschnitte des zweiten Teils. Um die Jahrhundertwende begann jedoch Goethes literarische Tätigkeit zu stagnieren. Er befasste sich geraume Zeit mit der Übersetzung der Autobiographie von Benvenuto Cellini und dramatisierte eine adlige Autobiographie („Die natürliche Tochter“), von der jedoch nur der erste Teil fertig wurde. Das geplante Epos „Achilleis“ gedieh nicht über den ersten Gesang hinaus.

Physik und Farbenlehre

Kants Erkenntnistheorie faszinierte ihn in dieser Zeit. Dessen These, wir könnten die Gegenstände der Philosophie nicht objektiv erkennen, sondern lediglich über unsere Wahrnehmung nachdenken, kam seiner Weltanschauung entgegen („Nun aber schien zum erstenmal eine Theorie mich anzulächlen“). Er widmete sich in einer Vielzahl von physikalischen Versuchen, die er selbst unternahm, den Phänomenen der Farben des Lichtes, den optischen Farben bzw. Spektralfarben. Im Sinne der Kant'schen Erkenntnistheorie ist Goethes „Farbenlehre“ keine naturwissenschaftliche Arbeit, sondern eine Lehre von der Wahrnehmung; er selbst sah sie auch eher als eine poetische Darstellung und nicht als begriffliche Erörterung an – nicht Physik, sondern Metaphysik. In Goethes Augen sperrt sich der stete Wandel der Dinge gegen jede Festlegung in starren Begriffen (insofern war er kein Kantianer). Zergliedern und analysieren verabscheute er; er machte sich auf, als ein „Ritter“ die „Farbenprinzessin“ zu befreien aus den Experimentierkammern der Wissenschaftler im Gefolge Isaac Newtons. Daran konnte auch die von Georg Christoph Lichtenberg angebotene Hilfe nichts ändern. Bereits in Leipzig hatte er über eine farbig spielende Libelle geschrieben:

Da hab ich sie, da hab ich sie!
Und nun betracht ich sie genau
Und seh’ – ein traurig dunkles Blau.
So geht es Dir, Zergliedrer Deiner Freuden!
Er schloss die Farbenlehre erst 1808 ab, beschäftigte sich aber noch wenige Wochen vor seinem Tod mit Teilproblemen. Den Tod Schillers im Jahr 1805 empfand er als großen Verlust. Gleichzeitig setzten ihm verschiedene Krankheiten (Gesichtsrose, Nierenkoliken) ernstlich zu.

Weimar – Kriegszeit

Trauung mit Christiane Vulpius
Nicht nur der Verlust des Weggefährten, auch der sich nähernde Krieg bedeutete einen tiefen Eingriff in sein Leben. Im Geiste sah er sich mit seinem Herzog bettelnd und asylsuchend durch Deutschland ziehen (seine Neigung zu Pessimismus nannte er seine „schwarze Seite“). Es kam nicht so weit. Nach der Schlacht bei Jena plünderten napoleonische Soldaten auch Weimar (die Wohnung von Frau von Stein etwa wurde völlig ausgeraubt). Am 14. Oktober 1806 war es nur dem beherzten Eingreifen seiner Partnerin zu verdanken, dass im Haus am Frauenplan kein Schaden an Leben und Gut entstand. Kurze Zeit darauf legalisierte er endlich das Verhältnis mit Christiane Vulpius (Trauzeugen waren der 17-jährige Sohn August und dessen Hauslehrer und Goethes späterer Sekretär F.W. Riemer).

Die Wahlverwandtschaften





Christiane Friederike Wilhelmine Herzlieb

Dies hinderte ihn nicht, bereits 1807 eine tiefe Neigung für Minna Herzlieb, die 18-jährige Pflegetochter des Buchhändlers Carl Friedrich Ernst Frommann in Jena, zu entwickeln. Als Nachklang der inneren Erlebnisse dieser Zeit wird der Roman „Die Wahlverwandtschaften“ angesehen, eine leise Tragödie, in der die Liebe als lebenszerstörende Naturmacht gesehen wird. Es war sein letzter Roman (1809). Charakteristisch für Goethe ist, wie er in diesem Werk Poesie und Naturerforschung verknüpfte: in der zeitgenössischen Chemie gebrauchte man den Begriff der „Wahlverwandtschaft“ der Elemente. Goethe verarbeitete hier – auf seine Weise – gleichzeitig seine frühen alchimistischen Erfahrungen und die rasend schnelle Entwicklung der modernen Chemieforschung. Er wäre gerne das allumfassende Universalgenie gewesen, musste aber vor der „millionenfachen Hydra der Empirie“ die Segel streichen. Die Fülle des Stoffes war nicht mehr zu erfassen.

Vorbereitung Gesamtausgabe und Abschluss Faust I (1806)

Immerhin bereitete er ab 1806 eine neue Gesamtausgabe seiner Werke (bei Cotta in Stuttgart) vor; hierfür schloss er auch endlich den ersten Teil des „Faust“ ab. In dieser Dichtung stellte er sich selbst dar, nicht nur in der Figur des Faust, der – ein Universalgenie – nach den Sternen greifen will und doch immer an die Erdenschwere gebannt bleibt; ebenso stellte er sich im Mephisto dar, der Goethes dämonisch-schwarze Seite zeigt (und der doch stellenweise recht sympathisch wirkt, witzig und frech wie der junge Goethe).






Goethe (Gemälde von Gerhard von Kügelgen 1808/1809)






Napoléon Bonaparte (1769-1821) „erklärte“ Goethe bei ihrer Begegnung in Erfurt den „Mahomet“


Begegnung mit Napoléon (1808)


Am Rande des Erfurter Fürstenkongresses 1808 wurde Goethe von Napoléon I. empfangen, der ihm das Kreuz der Ehrenlegion verlieh und die Begegnung mit dem legendären Ausspruch kommentierte: „Voilà un homme!“ (sinngemäß Das ist ein Mann!). Er schlug Goethe vor, nach Paris zu kommen und dort große Heldenstücke zu schreiben. Ob der Dichter „von der dämonischen Größe Napoleons ergriffen und befangen“ war (wie ihm später vorgeworfen wurde), muss offen bleiben. Jedenfalls ging er weder nach Paris noch wurde er ein Freund der entstehenden patriotischen Bewegung.

Autobiographische Aufzeichnungen

Nachdem er die Krankheiten überstanden hatte, wurde er wieder schlank und beweglich. 1809 begann er mit einer Autobiographie; ein Jahr später erblickte, sehr aufwendig ausgestattet, die Farbenlehre das Licht der Öffentlichkeit (die hierfür jedoch keinen Dank wusste). Die Weggefährten den älteren Generation hatte er überlebt, der Musenhof der Anna Amalia existierte nur noch in der Erinnerung; Goethe brach auf zu neuen Ufern. Ständig nahm er Bildungsstoff von allen Seiten in sich auf, um ihn zu verarbeiten. Er forschte in den Literaturen des Auslands und aller Zeitalter. Gerade als die Völker sich gegen die französische Fremdherrschaft erhoben, „flüchtete“ er in den Nahen Orient: er begann das Studium des Arabischen und Persischen, las im Koran und Verse des persischen Dichters Hafis. Bettina Brentano tauchte in Weimar auf, ihre Aufdringlichkeit löste einen im wörtlichen Sinne handfesten Skandal aus. Immerhin halfen Bettinas Erinnerungen an seine Jugend, die sie von seiner Mutter mitgebracht hatte, beim Fortgang der Lebensbeschreibung „Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit“. Die wiederum fand später zahlreiche Nachträge, unter anderem in den „Annalen“ und in der „Italienischen Reise von 1786 bis 1788“.






Marianne von Willemer
Pastell von Johann Jacob de Lose, 1809, Original: Freies Deutsches Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum






Carl Friedrich Zelter,
mit dem Goethe eine tiefe Freundschaft verband

Als Sekretär wurde ihm Friedrich Riemer (seit 1805 Erzieher seines Sohnes) bald unentbehrlich; mit Karl Friedrich Zelter, dessen Musik seinen Ohren angenehmer klang als das „Getöse“ Beethovens, begann er einen lang anhaltenden und ausgedehnten Briefwechsel, da er sich von dieser Seite nicht nur in Fragen der Musik aufs freundschaftlichste verstanden fühlte.

West-östlicher Divan
1814 reiste Goethe in die Rhein- und Maingegenden. In Frankfurt lernte er im Hause des Bankiers von Willemer dessen Partnerin Marianne Jung kennen, die wenige Wochen später, noch während Goethes Anwesenheit und auf seinen Rat hin heiratete. Goethe war zwar 65 Jahre, fühlte sich jedoch keineswegs zu alt und verliebte sich in Marianne. Sie wurde zur Muse und Partnerin in der Dichtung. Goethe besuchte die Willemers im folgenden Jahr wieder – ein letztes Mal sah er die Heimat. Auf die späteren Einladungen der Willemers nach Christianes Tod 1816 antwortete Goethe nicht mehr. Aber noch vier Jahre lang sollten ihm die Verse von Nachtigall und Rose, Wein und Liebe zuströmen, bis er den „West-östlichen Divan“ abschloss. Erst als alte Dame enthüllte Marianne, dass ein großer Teil der Liebesgedichte in dieser Sammlung von ihr selbst stammte. Sie war die einzige Partnerin, die ihm an dichterischer Kraft gleichkam.






Johann Peter Eckermann, Zeichnung von Johann Schmeller






Ulrike von Levetzow, Pastell, 1821


Alter in Weimar (1815–1832)

1816 starb seine Frau Christiane nach langer Krankheit. 1817 wurde er endlich die Leitung des Hoftheaters los, die Schwiegertochter kümmerte sich fortan um sein Wohl. Das kleine Herzogtum war – entgegen seinen Befürchtungen – unbeschadet aus den Wirren der napoleonischen Kriege hervorgegangen, Carl August durfte sich sogar „Königliche Hoheit“ nennen. Während es in den Köpfen der Studenten in Jena und anderswo brannte, machte Goethe Ordnung in seinen Papieren. Nun begann er die „Geschichte seines botanischen Studiums“ „Zeitschrift Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie“ (bis 1824). (Hier findet sich auch die Darstellung der Morphologie der Pflanzen in Form einer Elegie, die er bereits um 1790 für seine Geliebte verfasst hatte.) In dieser Zeit stand er auch in Kontakt zu dem Forstwissenschaftler Heinrich Cotta, den er bereits 1813 erstmals in Tharandt aufgesucht hatte.

Der alte Herr schloss zudem Freundschaft mit Karl Friedrich Reinhard, Kaspar Maria von Sternberg; Johann Peter Eckermann kam als Nachfolger Riemers nach Weimar. Zeitweise wurde er unlustig und mystisch und schrieb die „Orphischen Urworte“, die „Italienische Reise“ arbeitete er auf. 1821 folgte „Wilhelm Meisters Wanderjahre“, im Grunde eine Ansammlung kleiner Novellen. Goethe wählte nun Marienbad als Kurort, wo er eine Frau von Levetzow mit ihren Töchtern traf.

Das Jahr 1823 begann mit einer Herzbeutelentzündung. Nachdem er sich davon erholt hatte, wurde er geistig lebendiger als zuvor. Auch träumte und tändelte er wieder; der Greis hielt allen Ernstes um die Hand der 19-jährigen Ulrike von Levetzow an. Die jedoch wies ihn ab; auf der Heimreise schrieb er sich die Enttäuschung mit der „Marienbader Elegie“ von der Seele. Dann wurde es immer stiller und abendfriedlicher in ihm wie um ihn. Immer einsiedlerischer lebte er seine Tage, „allzeit beschäftigt, die Kräfte zu nutzen, die … noch geblieben waren“. Er nahm die Arbeit am Zweiten Teil des „Faust“ wieder auf. Er schrieb kaum mehr selbst, meist wurde diktiert. So konnte er nicht nur einen umfangreichen Briefwechsel bewältigen, sondern auch seine letztgültigen Worte in weit ausholenden Gesprächen dem Adlatus Eckermann anvertrauen – und sich selbst bereits zu seinen Lebzeiten ein Denkmal errichten. 1828 verschied sein Gönner Karl August, 1830 musste er den Tod des Sohnes in Rom hinnehmen. In demselben Jahr schloss er die Arbeit am zweiten Teil des Faust ab. Es war wieder ein Werk, an dem ihm das (jahrelange) Werden das Wichtigste war, formal ein Bühnenstück, tatsächlich kaum auf der Bühne spielbar, eher ein phantastischer Bilderbogen, vieldeutig wie viele seiner Dichtungen seit der Jahrhundertwende. Schließlich schaltete er sich noch in die Kontroverse der beiden Paläontologen Georges Cuvier und Etienne Geoffroy Saint-Hilaire ein – Geologie und Entwicklungslehre beschäftigten ihn noch ebenso wie der Regenbogen, den er mittels seiner Farbenlehre nie hatte erklären können.

Besuch in Ilmenau (1831)





Gedenktafel






„Goethehäuschen“

51 Jahre nachdem er 1780 an eine Wand in der Jagdhütte „Goethehäuschen“ auf dem Kickelhahn bei Ilmenau sein bekanntes Gedicht „Wandrers Nachtlied“ („Über allen Gipfeln ist Ruh’…“) geschrieben hatte, besuchte Goethe diese Wirkstätte 1831 kurz vor seinem letzten Geburtstag erneut. Tief bewegt las er, laut für sich wiederholend, die letzten Zeilen seines Gedichts: „Warte nur, balde ruhest du auch!“. An der Gastwirtschaft „Zum Löwen“ in Ilmenau, wo Goethe seinen letzten Geburtstag verbrachte, wurde eine Gedenktafel angebracht. Auf dem Marktplatz von Ilmenau steht heute ein Denkmal, das Goethe, auf einer Bank ausruhend, in seinem letzten Lebensjahr zeigt.







Goethe-Grab in der Fürstengruft zu Weimar


Tod in Weimar (1832)





Goethe im letzten Lebensjahr, Denkmal (Illmenau)
 

Am 22. März 1832 starb Goethe an den Folgen einer Lungenentzündung in seinem Sessel. Kurz bevor er starb, zeichnete er mit dem Finger ein „W“ in die Luft. Goethes Zeitgenossen sehen das als den Anfangsbuchstaben seines Namens Wolfgang, Muslime interpretieren es auch als die arabische Schreibweise von Allah. Seine berühmten letzten Worte sollen gelautet haben „Mehr Licht!“. Laut Friedrich von Müller war jedoch gemeint: „Macht doch den zweiten Fensterladen auf, damit mehr Licht hereinkomme!“. Einer Anekdote nach seien die letzten Worte Goethes missverstanden worden – demnach hätte er nicht „Mehr Licht“ gesagt, sondern eine Äußerung bezüglich der Qualität seiner Bettstätte getätigt – in seinem Frankfurter Dialekt habe er nämlich „mer lischt ... hia so schlescht,“ (Hochdeutsch: „man liegt hier so schlecht“) gesagt. Eine andere Anekdote besagte, Goethe hätte „Mer licht det Kissen schief“ gemeint. Es gibt zahlreiche weitere Theorien, was wirklich Goethes letzte Worte waren. Werner Fuld behauptet z. B., die letzten Worte seien an die Schwiegertochter gerichtet und „Frauenzimmerchen, gib mir dein Pfötchen!“ gewesen. Thomas Bernhard meint in seinem Essay 'Goethe stirbt', sie hätten „Mehr nicht!“ und nicht „Mehr Licht!“ gelautet. „Mehr Licht!“ wird oft philosophisch gedeutet. Goethe wurde am 26. März in der Fürstengruft bestattet. Seine Grabrede hielt Johann Friedrich Röhr, Generalsuperintendent in Weimar.

Biographische Aspekte

Goethe übte auf die meisten Zeitgenossen und auf nachfolgende Generationen eine faszinierende Wirkung aus. Die Ursache dieser Faszination liegt zum einen in seiner Vielseitigkeit und der oft damit verbundenen Fähigkeit, in den einzelnen Tätigkeitsfeldern Grundlegendes zu leisten, als auch Maßstäbe zu setzen; zum anderen sind es seine Kommunikationsfähigkeit und Vielgestaltigkeit in ganz unterschiedlichen Aspekten, die sich gegenseitig erhellen. Jeder dieser Aspekte resultiert aus biographischen Einflüssen und lässt sich in seiner Biographie oft über Jahrzehnte hindurch verfolgen. Besonderen Einfluss auf Goethes Entwicklung hatten einerseits seine Beziehungen zu Frauen und andererseits seine Krankheiten. Diese beiden Aspekte sind einander insofern entgegengesetzt, als Frauen häufig die Anfangspunkte einer Entwicklung in Goethes Leben markieren – ein neues Kapitel wird aufgeschlagen –, während die (teilweise schweren) Erkrankungen häufig Endpunkt, Abschluss, aber auch Flucht kennzeichnen.

Krankheiten



Goethe und die Frauen
Anna Katharina Schönkopf (1746–1810) war die Tochter des Zinngießers Christian Gottlieb Schönkopf, bei dessen Familie Goethe während seiner Leipziger Studienzeit den Mittagstisch nahm.

Dort lernt er 1766 das drei Jahre ältere Käthchen kennen und verliebt sich in sie; eine Liebe, die ihn zur Produktion verspielter Lyrik im Stile des Rokoko anregt (unter anderem die so genannten Annettenlieder). Im Frühjahr 1768 wird die Beziehung gelöst, die wegen Goethes extremer Eifersucht von Anfang an unter Belastungen litt.
Während der Zeit der Beziehung entsteht das Stück Die Laune des Verliebten. In diesem Schäferspiel wird ein eifersüchtiger Liebhaber von seiner Eifersucht geheilt, als er erkennt, dass auch er untreu sein kann. Auch nach dem Ende der Beziehung schrieb Goethe noch einige Zeit Briefe an Anna Katharina.

1788 lernte Goethe Christiane Vulpius kennen. Zwischen Goethe und Christiane entwickelte sich rasch ein Liebesverhältnis. Bereits ein Jahr später wurde das erste Kind, der Sohn August, geboren. Vier weitere Kinder folgten, die alle sehr früh starben. Am 19. Oktober 1806 wurden beide in der Jakobskirche getraut. Anlässlich ihrer beider „Silberhochzeit“ dichtete er 1813 das Gedicht „Ich ging im Walde so für mich hin...“ Christiane erlitt Anfang des Jahres 1815 einen Schlaganfall und starb am 6. Juni 1816 in Weimar.

In den Jahren 1814 und 1815 lernte er Marianne von Willemer für jeweils wenige Wochen kennen und verewigte sie im „Buch Suleika“ seines Spätwerks „West-östlicher Divan“. Marianne war die einzige Mitautorin eines seiner Werke, denn der „Divan“ enthält auch – wie erst postum bekannt wurde – einige Gedichte aus ihrer Feder.
Seine letzte Liebe im Jahr 1823 galt der neunzehnjährigen Ulrike von Levetzow, die er 1821 in Marienbad kennengelernt hatte.

Weitere Frauen, deren Beziehung zu Goethe bekannt ist, sind


Goethes Freunde


Goethes „Opfer“


Begegnung mit Heinrich Heine
Nachdem im Jahr 1824 Heinrich Heines Sammlung Dreiunddreißig Gedichte, darunter Heines in Deutschland heute bekanntestes Werk Die Loreley, erschienen war, besuchte Heine im selben Jahr während einer Harzreise den von ihm hoch verehrten Goethe in Weimar. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Heine ihm seinen ersten Gedichtband mit einer Widmung zugesandt. Der Besuch verlief für Heine aber eher enttäuschend, da er sich – ganz im Gegensatz zu seinem Naturell – befangen und linkisch zeigte und Goethe ihm nur höflich-distanziert begegnete.

Goethes Diener
Obwohl Goethe seinen jeweiligen persönlichen Dienern zumeist den unpersönlichen Dienst-/Rufnamen Carl gab, handelte es sich um wichtige Personen in seinem Leben, die das Vertrauen ihres Hausherrn genossen. Goethe verlangte von seinem Personal Diskretion, Fleiß und stetige Pflichterfüllung. Bei freier Kost, Logis und Livree erhielt der Cammerdiener einen Jahreslohn. Goethe „erzog“ sein Hauspersonal und förderte es nach erwiesenen Fähigkeiten. Besonders geeignete Bedienstete durften sich für Goethe als Schreiber betätigen oder sogar an den naturwissenschaftlichen Studien des Dichters teilnehmen. Goethe vermittelte verdiente Bedienstete in herzogliche Ämter oder fand sie testamentarisch ab. Von den zahlreichen gleichzeitig oder sukzessive in Goethes Diensten tätigen Hausdienern ist Philipp Friedrich Seidel (Goethes Diener von 1775 - 1788) hervorzuheben.

Goethe und der Islam




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Ein in der nichtislamischen Welt recht unbekannter Aspekt ist Goethes Interesse für den Islam. Das muslimische Interesse an Goethe gründet sich auf seine Gedichtsammlung West-östlicher Diwan und seine dazu gehörigen „Noten und Abhandlungen“. Dieses Spätwerk erschien 1819. Aber schon viel früher, 1772, beschäftigte Goethe sich literarisch mit dem Islam, nämlich einem Gegenstück zu Voltaires Le fanatisme ou Mahomet le Prophète, das nur fragmentarisch erhalten ist. Das bekannteste Stück hieraus ist das Gedicht Mahomets Gesang, das der Dichter Muhammad Iqbal später ins Persische übersetzte und in einer Fußnote schrieb, dass es kaum ein Gedicht gäbe, das die dynamische Kraft des Propheten Mohammed so schön darstellt. 1799 schrieb Goethe auch eine bearbeitete Übersetzung von Voltaires Drama.

Es ist bekannt, dass Goethe Arabisch lernte und den Koran kannte, der schon 1772 in deutscher Übersetzung vorlag, Goethe aber angeblich eine englische Ausgabe bevorzugte. 1814 kam Goethe mit dem Diwan des persischen Dichters Hafes in Kontakt, der 1812 ins Deutsche übersetzt wurde. Goethe antwortete darauf mit seinem West-östlichen Diwan, in dem mehrfach der Islam, sein Prophet und der Koran erwähnt und geehrt werden. Goethes Diwan beginnt mit einem Gedicht, das den Titel Hegire trägt, nach Mohammeds Auswanderung (Hidschra). Für Annemarie Schimmel ist das ein Hinweis auf Goethes „innere Auswanderung“ in den Islam seit 1814. Goethe hielt jedoch Hafes, den Religionskritiker, Anhänger des Sufismus und Verherrlicher des Weins, für einen authentischen Muslim. So schrieb Goethe über die Begegnung mit Hafes' Werk:

Schon im vorigen Jahre waren mir sämtliche Gedichte Hafis' in der Hammer'schen Übersetzung zugekommen; wenn ich früher den hier und da in Zeitschriften übersetzten und mitgeteilten einzelnen Stücken dieses herrlichen Poeten nichts abgewinnen konnte, so wirkten sie doch jetzt zusammen desto lebhafter auf mich ein, und ich mußte mich dagegen produktiv verhalten, weil ich sonst vor der mächtigen Erscheinung nicht hätte bestehen können ... alles was dem Stoff und dem Sinne nach bei mir Ähnliches verwahrt und gehegt worden, tat sich hervor, und dies mit umso mehr Heftigkeit, als ich höchst nötig fühlte, mich aus der wirklichen Welt, die sich offenbar und im stillen bedrohte, in eine ideale zu flüchten.

Goethe: Goethes autobiographische Schriften, Band 3 der Großherzog Wilh. Ernst-Ausgabe, Leipzig, o.J.; S.350
Eines der bekanntesten Zitate aus Goethes Diwan lautet:

Gottes ist der Orient!
Gottes ist der Occident!
Nord- und südliches Gelände
Ruht im Frieden seiner Hände!
Er, der einzige Gerechte,
Will für jedermann das Rechte.
Sei von seinen hundert Namen
Dieser hochgelobet! Amen.

Goethe: West-östlicher Diwan, Moganni Nameh: Buch des Sängers: „Freisinn“
Dies wird als Anspielung auf die 99 Namen Allahs und auf den Koran verstanden, in dem es heißt:

Gottes ist der Osten und der Westen. Wo immer ihr euch hinwendet, ist Gott gegenwärtig. Gott ist allumfassend und allwissend.

Koran 2:115
Überliefert ist auch, dass Goethe 1814 in Weimar einem islamischen Gebet beiwohnte, als eine Gruppe Baschkiren aus der russischen Armee in Weimar war. (Weiteres zum Thema Goethe und der Islam: West-östlicher Diwan)
Quellen zu diesem Abschnitt:


Goethes Wirken über die Dichtkunst hinaus

Naturwissenschaftliche Arbeiten





Johann Wolfgang Goethe, Die Solfatara von Pozzuoli (1787)

In der Weimarer Zeit begann Goethe sich auch naturwissenschaftlich zu beschäftigen, vor allem auf den Gebieten der Botanik, der Geologie und der Optik. In Folge seiner Interessen wurde er zum eifrigen Sammler von rund 23.000 Präparaten aus der Natur, die Grundlage seines Forschens waren.

Botanik


Seine vergleichenden Studien über Pflanzengestalten (vor allem Die Metamorphose der Pflanzen, 1790) wurden auch in der Fachwelt als wegweisend anerkannt. Im Bereich der Botanik gilt er als Begründer der Vergleichenden Morphologie. Während diese Disziplin später stark formalisiert wurde, stand für Goethe das erlebende Mitvollziehen der „Metamorphose“, des Wandels der aufeinander folgenden Blattgestalten an der Pflanze, im Vordergrund. Seine wichtigste Entdeckung war dabei, dass nicht nur die grünen Laubblätter, sondern auch die Teile der Blüte einander im Prinzip gleichen und dass auch Früchte aus blattartigen Organen (Fruchtblätter) aufgebaut sind. Diese Entdeckung formulierte er 1787 während seiner „italienischen Reise“ mit den Worten: „Vorwärts und rückwärts ist die Pflanze immer nur Blatt.“ Heute spricht man von homologen Organen. Das allgemeine „Gesetz“ der Aufeinanderfolge der Blattgestalten nannte Goethe auch „Urpflanze“.

Zoologie

In der Zoologie gelang Goethe die bedeutende Entdeckung des Zwischenkieferknochens beim Menschenembryo, dessen scheinbares Fehlen bis zu diesem Zeitpunkt eines der wichtigsten Argumente gegen die Verwandtschaft des Menschen mit den Affen war. Goethes zoologische Arbeiten, die ebenso wie die botanischen stark von der Anschauung und von dem Verhältnis zwischen konkreter Erscheinung und allgemeinem Typus ausgingen, wurden in der Folge von verschiedenen Zoologen aufgegriffen, so noch im 19. Jahrhundert von Hermann von Nathusius und im 20. Jahrhundert von Louis Bolk und Adolf Portmann.






Isaac Newton (Godfrey Kneller, National Portrait Gallery London, 1702)


Optik/Farbenlehre


Als sein naturwissenschaftliches Hauptwerk betrachtete Goethe jedoch seine Farbenlehre, die nach heutigem Verständnis lediglich eine von vielen Farbenlehren darstellt. Mit dieser Arbeit setzte er sich bei der physikalischen Interpretation über die Ursache der Spektralfarben in deutlichen Widerspruch zu dem englischen Physiker Isaac Newton. Aus physikalischer Sicht gilt Goethes Farbenlehre heute als Verirrung eines sonst so genialen Geistes. Gerade zu diesem Werk haben sich aber die bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts geäußert. So formulierte beispielsweise Niels Bohr, dass nicht das klassische Objekt der Physik, sondern das Phänomen das letzte unteilbare Element der physischen Wirklichkeit ist [7], und dass Goethes Einblicke in die Natur „zumindest in bestimmten Punkten außerordentlich fortschrittlich waren im Vergleich zu seiner Zeit“[8]. Carl Friedrich v. Weizsäcker äußerte sich zu Goethes Wissenschaftsverständnis und Erkenntnismethode in: Einige Begriffe aus Goethes Naturwissenschaft [9]. Und der Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend schrieb: „Goethes wundervolles Buch verdient weit mehr Beachtung, als es bisher bei Wissenschaftshistorikern und Wissenschaftstheoretikern gefunden hat.“ [10]

Aus psychologischer Sicht hingegen hat Goethe erstmalig eine Art Farbenpsychologie entwickelt.

Goethes Wissenschaftsverständnis und Methodik

Einen Ansatz einer wissenschaftstheoretischen Betrachtung seiner Methodik lieferte Goethe bereits selbst in seinem Aufsatz Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt [11]. Darin kennzeichnet er sein Vorgehen – im Unterschied zur zeitgleichen Naturphilosophie der Romantik – als empirisch und nicht spekulativ[12]. Vom positivistischen Empirismus unterscheidet sich Goethes Ansatz dadurch, dass er den Menschen nicht als externen Beobachter behandelt, sondern als innerhalb des Beobachtbaren und als systematisch zu diesem gehörend.

Ein besonderes Kapitel der Wirkungsgeschichte von Goethes Naturstudien ist die Bedeutung, die sie durch Rudolf Steiner im Bereich der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik unter der Bezeichnung „Goetheanismus“ erlangt haben.

Übersetzungen
Von Goethe stammt eine nennenswerte Anzahl von Übersetzungen, über die die Liste der Übersetzungen von Goethe informiert.

Nachkommen
Johann Wolfgang von Goethe und seine Frau Christiane hatten fünf Kinder. Außer August, dem ältesten, wurde eines tot geboren, die anderen starben nach Tagen oder Wochen. August hatte drei Kinder: Walther Wolfgang (* 9. April 1818 † 15. April 1885), Wolfgang Maximilian (* 18. September 1820; † 20. Januar 1883) und Alma Sedina (* 29. Oktober 1827; † 29. September 1844). August starb zwei Jahre früher als Goethe selbst in Rom. Seine Frau Ottilie von Goethe gebar nach seinem Tod ein weiteres (nicht von August stammendes) Kind namens Anna Sibylle, das nach einem Jahr starb. Alle Kinder blieben unverheiratet, so dass die direkten Nachkommenslinie von Johann Wolfgang von Goethe 1885 ausstarb. Wolfgang und Walther, der 1859 Freiherr wurde, vermachten den Nachlass der Großherzogin Sophie und dem Staat Sachsen-Weimar-Eisenach.
Friedrich Georg (* 1657) (weitere 8 jüngere Geschwister)
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Johann Kaspar G.
+ Katharina Elisabeth Textor
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Johann Wolfgang Cornelia* weitere früh Gestorbene
+ Christiane Vulpius |
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August vier früh Gestorbene
+ Ottilie von Pogwisch
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Walther Wolfgang Alma

(*) Cornelia hatte zwei Töchter: Luise Maria Anna (1774–1811) und Julie (1777–1793). Luise hatte mit Ludwig Nicolovius neun Kinder. Vier davon waren früh gestorben oder kinderlos. Die anderen fünf Kinder hatten zahlreiche Nachkommen, wovon heute noch einige leben.

Galerie




Kupfer zu J. W. Goethe, Das römische Carneval




Die tote Ottilie, der Architekt und Nanny – Kupferstich zu Goethes Wahlverwandtschaften




Goethes Wohnhaus am Frauenplan (Weimar), 1828




Johann Wolfgang von Goethe in seinem italienischen Freundeskreis




Goethe, Farbenkreis zur Symbolisierung des menschlichen Geistes- und Seelenlebens, 1809




Louis Ernst Moritz, Johann Wolfgang von Goethes Gartenhaus, 1830




Johann Wolfgang Goethe, Wartburg mit Mönch und Nonne, 14. Dezember 1807




Goethe, Italienische Küstenlandschaft – Aquarellierte Federzeichnung





Johann Wolfgang von Goethe Briefmarke von 1961


Rezeption
Hauptartikel: Johann Wolfgang von Goethe: Rezeption

Wie kein anderer wurde Goethe schon zu Lebzeiten als unerreichter und unerreichbarer Gipfel deutscher Dichtung stilisiert, wozu sein eigenes Auftreten im Alter zweifellos beitrug.

Goethe ist einer der berühmtesten Autoren der Weltliteratur. Seine Werke gehören in vielen Ländern zum festen Bestandteil des Literaturunterrichts und wurden vielfach vertont und verfilmt.

Die wechselnden Bilder, die im Laufe der Zeit von Goethe entstanden, illustrieren die kulturelle, soziologische und mentale Entwicklung der Gesellschaft. Zur Geschichte der Rezeption gehören deshalb auch die Goethe-Feiern und Goethe-Jubiläen, die wissenschaftlich untersucht wurden.

Siehe auch
In sprachlicher Verbindung mit dem Namen Goethe genannt bzw. nach ihm benannt:














Literatur

Werke Goethes

Einzelausgaben zu Lebzeiten (Erstausgaben)
Es war eine der besonderen Eigenarten Goethes, begonnene Dichtungen oft Jahre, manchmal Jahrzehnte liegen zu lassen, bereits gedruckte Werke erheblichen Umarbeitungen zu unterwerfen und manches Fertiggestellte erst nach langer Zeit in den Druck zu geben.
Eine chronologische Liste der Werke ist daher insofern schwierig zu erstellen, da der Zeitraum der Bearbeitung häufig unklar, das Jahr des Erstdrucks aber oft nicht mit der dichterischen Entwicklung Goethes korrespondiert. Die folgende Liste orientiert sich im Zweifelsfall am (vermutlichen) Zeitpunkt der Entstehung.
Gedichte, Lieder und Balladen






Johann Wolfgang von Goethe im 62.Lebensjahr (nach dem Gemälde von Luise Seidler, Weimar 1811)

Versepen

Dramen

Romane und Novellen

Übertragungen

Aufzeichnungen und Aphorismen

Ästhetische Schriften

Naturwissenschaftliche Schriften

Reden

Autobiographische Prosa

Sonstiges


Ausgaben


Sekundärliteratur

Übersichten/Bibliographien

Lexika


Weiteres

Filmographie







Quellen

J.W.v.Goethe, Zahme Xenien IX.
J.W.v.Goethe, Dichtung und Wahrheit, Erstes Buch
J.W.v.Goethe, Zahme Xenien IX.
J.W.v.Goethe – Wilhelm Meisters Lehrjahre – 4. Kapitel
Kommentar zur Münchner Ausgabe der Sämtlichen Werke, Band 1,2, S. 902
Vgl. Goethes Schrift: Geschichte meines botanischen Studiums dort schreibt er: „Wie sie sich nun unter einen Begriff sammeln lassen, so wurde mir nach und nach klar und klärer, daß die Anschauung noch auf eine höhere Weise belebt werden könnte: eine Forderung, die mir damals unter der sinnlichen Form einer übersinnlichen Urpflanze vorschwebte. Ich ging allen Gestalten, wie sie mir vorkamen, in ihren Veränderungen nach, und so leuchtete mir am letzten Ziel meiner Reise, in Sizilien, die ursprüngliche Identität aller Pflanzenteile vollkommen ein, und ich suchte diese nunmehr überall zu verfolgen und wieder gewahr zu werden.“
s. Niels Bohr, Quantum mechanics and physical reality. Nature, 136/1935, S. 65,
s. N. Blaedel: Harmony and Unity. The life of Niels Bohr.
Goethes Werke „Hamburger Ausgabe“ in 14 Bänden, 8. Auflage München 1981, Band 13 (Kommentarteil), S. 539–555
Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang, revidierte Fassung (1983), S. 201
J. W. v. Goethe: Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt [1], Goethes Werke „Hamburger Ausgabe“ in 14 Bänden, 8. Auflage München 1981, Band 13, S. 10-20
Siehe auch J. W. v. Goethe: Erfahrung und Wissenschaft, Goethes Werke „Hamburger Ausgabe“ in 14 Bänden, 8. Auflage München 1981, Band 13, S. 23-25

Weblinks





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Originaltexte


Weitere Links
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Personendaten

NAME
Goethe, Johann Wolfgang von

ALTERNATIVNAMEN
Goethe, Johann Wolfgang; Göthe, Johann Wolfgang

KURZBESCHREIBUNG
deutscher Dichter, Naturwissenschaftler, Kunsttheoretiker und Staatsmann

GEBURTSDATUM
28. August 1749

GEBURTSORT
Frankfurt am Main

STERBEDATUM
22. März 1832

STERBEORT

Weimar


Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wolfgang_von_Goethe

 
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